Proteste in Gállok (Kallak) gegen Beowulf Mining

Protest in Kallak, Bild: Sirges Sameby

Protest in Kallak, Bild: Sirges Sameby

„Buorre idet, guten Morgen! Mich hat es nie gegeben, mein Land war immer Dein. […]“

Diese Worte erreichen uns heute Morgen von Per-Eric Kuoljok aus Ruokto. Und diese Worte sind erst der Anfang! (den gesamten Text gibt es hier: Buorre idet) Wie ca. 500 weitere Menschen – Sámi, und andere denen Gerechtigkeit und Natur am Herzen liegen – war Per-Eric gestern in Gállok (Kallak) um ein Zeichen zu setzen. Der gestrige Protest ist der aktuelle Höhepunkt im Kampf der sámischen Rentierzüchter in Gállok bei Jokkmokk gegen den Landraub durch das britische Unternehmen Beowulf Mining und seiner Tochter Jokkmokk Iron Mines AB (JIMAB).

Seit dem Bekanntwerden von Beowulfs Plänen, in der Nähe von Jokkmokk in Nordschweden einen Erztagebau zu beginnen, glänzt das Unternehmen durch Ignoranz und Unverschämtheit gegenüber der lokalen Bevölkerung. So war auf einer Investorenkonferenz  z.B. die sarkastische Frage „What local people?“ zu hören (Clive Sinclair-Poulton, Vorstandsvorsitzender von Beowulf Mining plc), als ob es bei Gállok niemanden gäbe – niemanden, dessen Lebensgrundlage eben dieser Boden und eben diese Wälder sind (s. hierzu das Video).

(Video: www.whatlocalpeople.se)

Bei den dann folgenden Probebohrungen verstieß Jokkmokk Iron Mines mehrfach gegen Vorschriften – es drohte sogar schon Lizenzentzug, dem JIMAB dann allerdings knapp entgehen konnte. Seitdem regt sich der Widerstand vor Ort und man demonstriert gegen die Zerstörung der unberührten Natur und für das Recht der Sámi auf ihre Rentierweiden – und damit das Recht auf ihre Lebensgrundlage.

Seit Juni blockiert eine wachsende Gruppe von Aktivisten die Zufahrt zu dem Gelände, um die anstehenden Probesprengungen zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. Mehrfach wurde bereits von der Polizei geräumt, und das zum Teil ohne bestehende Rechtsgrundlage: Die Polizei hatte sich darauf berufen, dass das Gebiet bei Kallak Sperrgebiet sei, was aber nicht belegt werden konnte. Beowulf Mining konnte so seinen Plan weiter in die Tat umsetzen und die ersten Sprengungen erfolgten vor ca. einer Woche. Die Aktivisten wurden wieder einmal verjagt, und man hinderte die Sámi gewaltsam daran, nach ihren Rentieren zu sehen.

Der schwedische Staat steht hier leider hinter dem ausländischen Bergbauunternehmen, und die Polizei droht inzwischen mit härterer Gangart gegen die Protestierenden: „Die Zeit des Diskutierens ist vorbei. Jetzt wird es schmerzhaft“ (sinngemäß übersetzt). Die Organisatoren des Protestes lassen sich zum Glück nicht einschüchtern – selbst nicht von den schon formulierten Todesdrohungen „.. eine Kugel durch die Stirn …“ seitens einzelner Minenbefürworter. Die öffentlichen Aussage von JIMABs Geschäftsführer Fred Boman, die Protestierenden seien „krank im Kopf“, klingt verglichen damit dann schon wieder harmlos.

Schweden scheint hier geblendet von der Vorstellung, der beginnende Bergbau-Boom sei für Schweden, was das Öl für Norwegen ist. Vor diesem Hintergrund werden Natur und die Rechte der indigenen Bevölkerung ignoriert. Und wenn einmal als „Riksintresse“ (Reichsinteresse) ausgewiesen, hat der Staat hier freie Hand.

Wer in Schweden hat eigentlich einen Nutzen von der geplanten Mine? Oft wird in der Diskussion völlig außer Acht gelassen, dass die potentiellen Gewinne aus dem Bergbau in Schweden so gut wie gar nicht besteuert werden. Erwähnenswerte direkte Steuereinnahmen gibt es für den Staat also nicht. Natürlich versprechen sich die Regierung, die Kommunen, und auch so manch ein Bewohner vor Ort neue Arbeitsplätze. Aber hier braucht man nur die 2010 für Beowulf durchgeführte Studie zu lesen. In dieser geht man davon aus, dass die Arbeiter nicht in Häusern in der Umgebung wohnen werden, sondern in Caravan-Camps [Seite 84, “Ruoutevare & Kallak Iron Ore Projects – Conceptual Study  for Beowulf plc”, Raw Materials Group, 2010-03-30]. Damit dürfte klar sein, dass diese Arbeiter eben nicht aus Jokkmokk und der Umgebung stammen und der Nutzen für die lokale Bevölkerung und die Kommune wird sehr gering sein.

Nutznießer ist in unseren Augen damit lediglich die Bergbaufirma Beowulf Mining / JIMAB, diese kommt, macht ihre Gewinne, zahlt kaum Steuern, und zieht dann irgendwann weiter. Dies moralisch zu bewerten, überlassen wir unseren Lesern.

Langsam und sehr spät erwacht auch das Interesse der schwedischen Presse. Allerdings ist der Norden für die meisten Schweden gefühlt so weit entfernt wie für den Rest der Europäer. Viele interessiert es nicht oder. man denkt, dort wohne doch eh fast niemand und es gäbe dort doch genug Platz und Natur. Die Komplexität der Zusammenhänge in der Rentierzucht, und wie man den Sámi so ihre Lebensgrundlage entzieht, versteht man oftmals nicht.

Das Ausmaß des in den letzten Jahrzehnten bereits an der Natur angerichteten Schadens ist 1000km weiter südlich in Stockholm natürlich ebenfalls nicht sichtbar. Da wundert es nicht, dass auch auf den Web- und Facebookseiten der regierenden Politiker – wie zum Beispiel bei Annie Lööf – Anfragen zu dem Themenkomplex unbeantwortet bleiben. Wir hoffen, dass Schweden langsam erwacht! Der Konflikt bei Gállok (Kallak) steht symbolisch und zukunftsweisend für das, was den Norden noch erwartet. Denn der Bergbau-Boom, der beginnt gerade erst. Selbstverständlich braucht es Arbeitsplätze und wir sind nicht generell gegen Bergbau. Allerdings müssen alle Bevölkerungs- und Interessengruppen einbezogen und dazu gehört werden!

Nach unserer Ansicht hat Schweden – geblendet vom erhofften Nutzen – völlig das Augenmaß verloren und folgt blind den Versprechungen ausländischer Investoren. Dabei wird etwas zerstört, was es sonst nirgendwo mehr im dicht besiedelten und industrialisierten Europa gibt. Wir von Nordwelten unterstützen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und wünschen den Protestierenden Kraft und viel Glück im Kampf gegen Willkür und Kolonialherrenmentalität!

Wer wie wir das Anliegen unterstützen will kann diese Petition unterschreiben: Petition gegen das Bergbauprojekt in Kallak Wer mehr tun will (vor Ort oder aus der Ferne), schreibt uns einfach eine Email, wir können entsprechenden Kontakt herstellen.

Protest in Kallak

Protest in Kallak, Bild: Sirges Sameby